1000 Engel

Eine Licht_Klang_Raum_Installation von
Andreas Rimkus (Objekt/ Installation, Klang) und Ingo Bracke (Lichtinstallation, Klang) anlässlich des 550 – jährigen Kirchenjubiläums in der ev.-luth. St. Andreaskirche zu Springe im Herbst 2004.

Andreas Rimkus erinnert in seiner Installation „1000 Engel“ mit Spazier- und Krückstöcken an verstorbene Menschen. Seelengleich schweben zu einem Mobile geordnete Stöcke im Raum und projizieren durch leichte Bewegung ein „jenseitiges“ Schattenspiel an die Wände.
Das Objekt erwächst vom Boden in die oberen Winkel des Gewölbes, das Motiv der Lebensreise enthebt sich durch fein konturierte Schattenspiele ins Vergeistigte an der Schwelle zum Dunkel. Umso mehr, weil sich im Zwielicht die Sinne der Betrachter schärfen. Wirklichkeit, Einbildung, Traum verschwimmen - Schatten verdichten sich zu Bildern.

Leise erklingen Wiegenlieder, wenn sich Besucher einer auf Schnee gebetteten goldenen Kugel nähern. Diese rufen Erinnerungen an die eigene Kindheit herauf, „innere“ Bilder geraten in Bewegung.

Durch Licht erhält das „Engelobjekt“ eine vertiefte Dimension: Ingo Bracke sucht in seiner Lichtinstallation nach der inneren Beziehung des Schattens zum Objekt.
Jeder Stock von Rimkus‘ beweglicher Konstruktion wird in den Gewölben der frühgotischen St. Andreas Kirche ein Abbild projizieren. Das entkörperlichte Objekt und sein konturierter Schatten verknüpfen Leben und Tod, Wirklichkeit und Jenseitshauch zu einer über das Gegenständliche hinweg weisenden, „zweiten“ Realität. Ephemere Schattenwesen gleiten im flüchtigen Wandel von Farbe und Form über die Wände.
Ein scharrend-blasendes Geräusch steht im Raum. Ein 150 Jahre alter Blasebalg, wie er früher zum Entfachen der Glut in den Essen alter Schmieden verwandt wurde, atmet leise. Leben Einhauchen - Leben Aushauchen. Im Windhauch tanzen die Stöcke, als würden sie im letzten Lebenshauch ihrer körperlichen Hülle entschweben.

Auch im Kirchhof draußen weht dieser Hauch. In einer atmenden Klanginstallation von diffuser Ruhe fördern Rimkus und Bracke eine Sphäre verhaltener Poesie an der Schwelle vom Tag zur Nacht.
Ingo Bracke schafft in seiner Lichtinstallation für den „Architekturkörper“ der St. Andreas Kirche ein Netz feiner Lichtspuren. Um das Kirchenschiff legt sich ein blau- grünlicher Lichtsaum, ein Raum des nächtlichen Zwielichts in dem die eingebrachten Klang- und Lichtspuren umso deutlicher wahrnehmbar werden. Wie im Innern das Stockobjekt seine Schattenstrukturen auf das Gewölbe wirft, wird der Turmhelm mit „Lichtstäben“ umwoben.
Der Dunkelheit der Objektschatten wird die leuchtende Kraft der „Lichtschatten“ entgegengestellt. Diese bilden in grafischer Umkehrung, das Vexierbild zum Schattenleben im Innern. Licht als Zeichen der Hoffnung, dessen Symbolik in der christlichen Tradition gerade in der dunklen Jahreszeit des zu Ende gehenden Kirchenjahres besondere Aufmerksamkeit beigemessen wird.
Über 1000 Spazierstöcke sind schon für dieses Projekt zusammen gekommen und laufend kommen weitere hinzu. Alle haben "ausgedient" und lassen ahnen, dass sie von Menschen stammen, die größtenteils nicht mehr unter uns weilen. Sie gehörten Menschen, die sie aufgrund ihres Alters und Gebrechens brauchten oder aber als Wegbegleiter auf den Wanderungen und Reisen ihres Lebens mit sich führten. Nicht nur in den Wanderplaketten bleibt die individuelle Geschichte dieser Menschen gespeichert, sondern im Objekt selbst. In diesem Zusammenhang drängt sich der Begriff "Vergänglichkeit" auf und weitere Attribute des Älterwerdens wie "Weisheit" oder "Glaube" und Hoffnung auf das "Leben danach". Sehnt sich nicht jeder Mensch danach wie ein Engel zu schweben, schwerelos und leicht, ohne irdische Anhaftung schmerzfrei in den Wolken, hatte sich nicht jeder einzelne danach gesehnt?

Auch die Form des Stockes zeigt das Leben und Vergehen. Wie der junge Trieb einer Pflanze strebt der Schaft des Stockes nach oben zum Licht.
Zum „Ende“ hin neigt sich das Holz und kehrt zurück zur Erde.

Ziel ist es dem stummen Objekt der Stöcke im Rahmen der Kunstinstallation eine Stimme zu geben. Wiegenlieder werden erklingen, vorgesungen von Müttern und Vätern, Großeltern, ehemaligen Kindern und solchen die es geblieben sind. Über 100 Lieder haben Christine und Andreas Rimkus auf Reisen, auf Symposien, bei Konzertveranstaltungen, im Springer Schmiedeatelier und anderswo zusammen getragen. In Ihnen wird im unschuldigen Kind der Inbegriff eines irdischen Engels thematisiert. Auf der ganzen Welt gibt es Wiegenlieder, die den kleinen "Engeln" mit Liebe vorgesungen werden und sie buchstäblich in den Schlaf wiegen. Diese Liebe wird den Menschen ein Leben lang begleiten. Leider werden Wiegenlieder immer weniger gesungen, eine schwindende Tradition die ebenso verblasst wie die Erinnerungen an uns lieb gewordenen Menschen.

Mit den Wiegenliedern und Spazierstöcken spannen die Künstler
einen Bogen zwischen Geburt und Tod.

Gefördert durch:
Volksbank eG (Lehrte-Springe-Pattensen-Ronnenberg)
Klosterkammer Hannover
Jürgen Brinkmann, Fotos

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Fotos: Jürgen Brinkmann, Michael Mielenz (Li. u.)